Freitag, 8. Juli 2016

Der geheimnisvollste Ort der Welt

Imagine a man without lungs. Imagine earth without Amazon rainforest. - Vinita Kinra


Den Amazonas aus dem Flugzeug zu sehen, ist wie das Meer aus dem Flugzeug zu sehen: ein schier endloses grünes Meer aus Bäumen, bis zum Horizont, bis man nicht mehr weiter sieht - und dazwischen durch schlängelt sich der gigantischste Fluss, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Mitte Juni erkundeten meine Freundin Linda und ich den Regenwald. Gemeinsam mit Indigenen, die dort leben, haben wir 3 Tage in Kolumbien, Peru und Brasilien verbracht.

Gestartet sind wir in Leticia, der Hauptstadt des kolumbianischen Departamentos Amazonas. Die Stadt hat etwa 40.000 Einwohner und das komplette Leben spielt sich am Ufer des Amazonas am Hafen ab. Leticia hat keine Verbindung zu anderen größeren Städten Kolumbiens über den Landweg, sodass wir die gut 1000 km zwischen Bogota und Leticia im Flugzeug zurückgelegt haben. Morgens um 6 Uhr haben wir das unspektakuläre Städtchen verlassen und sind in einem typischen Holzboot mit drei anderen Reisenden und zwei Indigenen (Miguel und Steuermann José) aufgebrochen.


Wir überquerten den Amazonas vom kolumbianischen Ufer aus Richtung Peru und ohne Passkontrolle oder sonst irgendetwas haben wir eine Stunde später in der Indigenensiedlung Gamboa in Peru gefrühstückt. Nach weiteren 3 Stunden Bootsfahrt über kleine Seitenflüsse, bei der wir Tukane, Äffchen, ein Faultier und Adler gesehen haben, sind wir im ersten Quartier angekommen, der Gemeinde Zacambu. Wären wir zwei Monate später dorthin gereist, hätten wir den ganzen Weg zu Fuß gehen müssen, da die kleinen Flüsse im "Sommer" austrocknen. Bis zu 10 oder 15 Metern steigt und sinkt der Flusspegel im Laufe des Jahres!


mit Jose
Im Laufe der nächsten Tage haben wir wahnsinnig viel erlebt: gemeinsam mit unseren beiden Guides haben wir die Flussdelfine auftauchen sehen und sind mit den grauen und rosa Delfinen (die es nur im Amazonas gibt) in einem Seitenarm des Amazonas geschwommen, haben nachts kleine Alligatoren gesucht und aus dem Wasser gezogen und waren Piranhas fischen, die wir danach frittiert gegessen haben. Die kleinen Fische an die Angel zu kriegen, ist aber gar nicht so einfach, meistens haben sie nur den Köder (kleine Fische oder Hühnchen) weg gegessen :D

das Hausäffchen in Zacambu

baden Gott sei Dank ohne Anacondas etc. :D

Alligator?!

mein erster selbstgefangener Piranha


Natürlich sind wir auch durch den Urwald, der in Peru wirklich noch Primärwald ist, gewandert und die Indigenen haben uns den Weg mit Macheten frei geschlagen. Uns wurde erklärt, welche Bäume giftig sind, von welchen Bäumen man trinken kann und welche Bäume Gummibäume sind. Auf diesen Wanderungen haben uns die Mücken zwar halb tot gestochen, aber es hat sich gelohnt: es ist unglaublich, wie viel Leben es in diesem Dschungel gibt: Tausendfüßler, Taranteln, Affen, unzählige Vögel... und gleichzeitig ist dieses Gebiet noch so unentdeckt, man kann nur erahnen, wie viele Tier- und Pflanzenarten mehr es noch geben muss!! 

diese Stacheln werden als Giftpfeile benutzt

"Ich bin auch eine Ameise!"

wer sieht das Tier? ;)

Eins der Highlights war eine Nacht mitten im Dschungel in Hängematten. Nachmittags haben wir unser Camp aufgebaut und nach dem Abendessen in Zacambu sind wir mit dem Boot wieder dorthin gefahren. Vorm Schlafen haben wir eine Nachtwanderung durch den Dschungel gemacht, da man in der Nacht die meisten Tiere sieht. Das hat sich bewahrheitet: alles kreucht und fleucht im Amazonas! Von Spinnen wie Schwarzen Witwen und behaarten Vogelspinnen, über Skorpione und riesige Käfer bis hin zu Ameisen war alles dabei. Die Tiere waren zwar interessant anzusehen, aber mein Leben lang könnte ich nicht dort im Wald bleiben mit all den Insekten.. Die Nacht in der Hängematte war echt beeindruckend, die ganzen Geräusche von Vögeln und Insekten und kleine Äste, die unter dem Gewicht der Tiere zerbrochen sind - und morgens, wenn es hell wird, schaut man einfach in ein grünes Blätterdach. Diese Nacht und diese ganze Reise waren einfach unvergesslich und abenteuerlich und es waren mit die schönsten Tage, die ich hier in Kolumbien erlebt habe, auch wenn wir total verdreckt, übermüdet und zerstochen wieder in Leticia angekommen sind.

Miguel am Aufbauen

Lianen




Über die Indigenen:
Natürlich hatten wir auch Zeit, uns mit den Personen, mit denen wir unterwegs waren und bei denen wir gewohnt haben, zu unterhalten. Viele von ihnen sind Peruaner, viele haben aber auch doppelte Staatsbürgerschaften, sei es mit Kolumbien oder Brasilien. Stromleitungen gibt es natürlich nicht, aber viele besitzen Generatoren und abends werden eben Kerzen angezündet. Die Häuser sind aus Holz und selbstgebaut und stehen auf Stelzen. Wasser kommt vom Regen und vom Fluss, wobei man im Fluss alles macht: Teller abspülen, Fisch ausnehmen, baden, Wasser für die Duschen abpumpen etc. Das einzige Fortbewegungsmittel neben den eigenen Füßen ist das Boot, damit fährt man ein paar Stunden oder auch einen Tag bis in größere Gemeinden für Einkäufe und Arztbesuche. Für nahezu alle Krankheiten kennen die Indigenen aber Medizin aus dem Amazonas, sprich Blätter und Kräuter. Der Abfall, der produziert wird, wird verbrannt, Müllabfuhr gibt es ja logischerweise auch nicht. Ernährt wird sich auch viel durch Subsistenzwirtschaft, viele halten Hühner, es wird gefischt und Früchte und Gemüse wird angebaut. Dieses Leben ohne Fernseher und Internet und wirkliche Anbindung an die Zivilisation kommt einem ziemlich verrückt vor und schön in seiner Einfachheit.

Haus in Gamboa

Zacambu

Kunst